Dr. Dkfm. Josef E. Hillebrand

  • Geb. am 07.02.1908
  • Geburtsort: Grottau (Hrádek nad Nisou), Tschechoslowakei
  • Kategorie: Aberkennung akad. Grade
  • Heimatberechtigung: Grottau (Hrádek nad Nisou), Tschechoslowakei
  • Staatsbürgerschaft: Tschechoslowakei

Josef E. Hillebrand war Sohn des Grottauer Gastwirts Josef Hillebrand. Seine Mutter ist 1937 gestorben, sein Vater 1941.

Im Anschluss an den Besuch der Handelsakademie in Reichenberg/Liberec war er zwischen Wintersemester 1928/29 und Sommersemester 1935 insgesamt zehn Semester an der Hochschule für Welthandel in Wien eingeschrieben. 1932 bestand er die Diplomprüfung, im März 1937 wurde er mit einer Dissertation über Die Auswirkungen der Konjunktur auf die Bilanzen der österreichischen Brauereiaktiengesellschaften während der Jahre 1925 bis 1933 zum Doktor der Handelswissenschaften promoviert. Im selben Jahr erschien ein Teil der Doktorarbeit unter einem leicht geänderten Titel im Druck. Kurz nach der Promotion gab er seine Wohnung in der Anton-Frank-Gasse 12 (18. Wiener Gemeindebezirk) auf, in der er seit Oktober 1932 gemeldet gewesen war, und kehrte in seinen Geburtsort Grottau zurück.

Zunächst war er als Revisor bei der Geschäftsstelle der Deutschen Revisions- und Treuhand AG in Reichenberg tätig, anschließend als Landesprüfer bei der Landesbauernschaft in derselben Stadt. Zwischen 1. Oktober 1937 und 4. Oktober 1938 leistete er Militärdienst in der tschechoslowakischen Republik, die kurz danach durch die aggressive Außenpolitik des Großdeutschen Reiches sukzessive zerschlagen wurde.

Am 15. Januar 1942 wurde Hillebrand erneut einberufen, diesmal in die Deutsche Wehrmacht. Nur gut sechs Wochen später wurde er an die Ostfront nach Russland verlegt. Nachdem er es gewagt hatte, seine Vorgesetzten um eine Verwendung wie Dolmetschen zu bitten, die seinen Qualifikationen eher entsprach als der Dienst an der Waffe, wurde der promovierte Ökonom „scharf zurecht gewiesen“ und aufgefordert, sich durch „Mutbeweise“ vom Vorwurf des „Feiglings“ zu befreien. Als er sich nicht freiwillig meldete, wurde er zu einem Stoßtruppunternehmen abkommandiert. Zwar hat er sich diesem Befehl gefügt, sich in der Folgezeit aber mehrmals entgegen anderslautender Befehle aus der unmittelbaren Gefahrenzone entfernt. Dies führte zu einer Anklage wegen „fortgesetzter Feigheit vor dem Feinde“ vor dem Feldkriegsgericht der 52. Infanteriedivision, die damals unter dem Kommando von Generalleutnant Lothar Rendulic, einem fanatischen österreichischen Nationalsozialisten, in der Sowjetunion kämpfte. Dessen Urteil vom 2. Mai 1942 lautete auf sechs Jahre Zuchthaus und Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von fünf Jahren; außerdem wurde Hillebrand für wehrunfähig erklärt. Das Gericht selbst erachtete dieses Urteil als milde: Wäre er nicht durch seinen Militärdienst in der Tschechoslowakei „das unglückliche Produkt einer völlig verkehrten, verweichlichten Erziehung“ gewesen, und hätte er sich nicht dem erwähnten Stoßtruppunternehmen entzogen, hätte ihm Todesstrafe oder lebenslanges Zuchthaus geblüht.

Das Urteil, das auf der Grundlage der Paragraphen 84 und 85 des Militärstrafgesetzbuches gefällt wurde, diente in der Folge als Rechtfertigung, Hillebrand Mitte Juli 1942 die akademischen Titel des Diplomkaufmanns und des Doktors der Handelswissenschaften abzuerkennen. Obwohl die Mitwirkung der Hochschule formal gar nicht notwendig war, gab sich NS-Rektor Kurt Knoll alle Mühe, die Aberkennung der beiden akademischen Titel explizit zu verfügen.

Am 23. Juli 1944 ist Josef Hillebrand in dem Dorf Pid'yarkiv/Potjakow (heute: Ukraine) gefallen. Nachdem die Hochschule für Welthandel von seiner Verlobten und deren Eltern über Hillebrands Tod informiert worden war, erwog Knolls Nachfolger Leopold Mayer, Hillebrand „gnadenweise“ posthum die akademischen Grade wieder zuzuerkennen – wohlgemerkt unter der Voraussetzung, „dass die Umstände, unter denen der Genannte gefallen ist, einen solchen Schritt rechtfertigen.“ Offenbar qualifizierte aus Sicht eines bekennenden Nationalsozialisten ausschließlich ein „Heldentod“ zur Wiederzuerkennung der akademischen Grade, die Hillebrand einst rechtmäßig erworben hatte. Mayers entsprechendes Ersuchen beim Reichswissenschaftsministerium vom 14. November 1944 blieb allerdings offenkundig ohne Erfolg. Vermutlich ist der „Gnadenerweis“ wegen des baldigen Zusammenbruchs des Deutschen Reiches nicht zustande gekommen.

Ob Hillebrand nach dem Zweiten Weltkrieg von der Hochschule für Welthandel der Doktorgrad posthum wieder zuerkannt wurde, ist nicht eindeutig zu klären. Auf der Sitzung des Professorenkollegiums vom 9. März 1946 wurde er als einer der politisch Verfolgten genannt, denen der Doktorgrad wieder zuerkannt wurde. Auf einer seiner Studierendenkarteikarte hingegen findet sich der Eintrag, eine Wiedergutmachung sei „nicht möglich“, da Hillebrand tot sei.

 

Autor: Johannes Koll

Quellenhinweise

Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, zwei Studierendenkarteikarten.
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Protokoll Professorenkollegium vom 9. März 1946.
Meldeauskunft des Wiener Stadt- und Landesarchivs, GZ MA 8 – B-MEW – 1528937/2014.
Bundesarchiv Berlin, R 4901/25828.

Feedback senden

Erweiterte Suche