Franz Peter (François Pierre) Lampl

  • Geb. am 25.01.1916
  • Geburtsort: Wien
  • Kategorie: Diplomstudiengang
  • Heimatberechtigung: Eisgrub (Lednice), Tschechoslowakei
  • Staatsbürgerschaft: Tschechoslowakei

Franz Peter war Sohn der Geschäftsfrau Alice (geboren am 20. Mai 1894 als Alice Boschan) und des Fabrikleiters und Landwirts Dr. jur. Jakob Lampl (geboren am 30. November 1880), die 1915 in der Leopoldstädter Synagoge in der Tempelgasse (2. Wiener Gemeindebezirk) geheiratet hatten.

Franz Peter war zwischen Wintersemester 1936/37 und Sommersemester 1938 vier Semester an der Hochschule für Welthandel inskribiert. Bereits 1935 war er dem Wiener Akademischen Corps Marchia unter dem Couleurnamen Zapfl beigetreten. Bei dieser Studentenverbindung, die im November 1888 als „akademischer Geselligkeitsverein“ gegründet worden war und deren Mitglieder sich im Café Colonnaden (Rathausplatz 4, 1. Wiener Gemeindebezirk) trafen, handelte es sich um eines der wenigen „paritätischen“ Corps, die Juden ebenso wie Nicht-Juden offenstanden (Doeberl u.a. 1931, S. 1066). Im damaligen politischen Spektrum galt die Marchia als deutsch-freisinnig, das heißt als nationalliberal eingestellt, und war eine waffenstudentische Korporation. Mit dem Beitritt zur Marchia folgte Franz Peter dem Vorbild seines Vaters Jakob und seines Onkels Dr. jur. Otto Lampl (gestorben im August 1934 in Nikolsburg/Mikulov), die 1899 bzw. 1904 der Marchia beigetreten waren (Couleurnamen Lampus bzw. Otho).

Obwohl dem jüdischen Studenten offiziell das Sommersemester 1938 angerechnet wurde, war im Februar 1938 die Erste (allgemeine) Prüfung die letzte Prüfung, die Franz Peter Lampl an der Hochschule für Welthandel ablegen konnte. Mit dem 'Anschluss' Österreichs endete sein Studium in Wien abrupt und vorzeitig. Zur selben Zeit wurden seine Eltern Opfer der 'Arisierung': Der Vater musste seinen Posten als Präsident, seine Mutter die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat der Wiener Nauseawerke AG für Eisen- und Metallindustrie aufgeben. Wie unten noch ausgeführt wird, sollten sie zu einem späteren Zeitpunkt Opfer der Shoah werde.

Mitte Juni 1938 verließ Franz Peter Lampl das elterliche Haus in der Hohen Warte 48 (19. Wiener Gemeindebezirk). Anschließend begab er sich nach Lundenburg/Břeclav - eine Ortschaft in der Tschechoslowakei, die bald darauf auf der Grundlage des Münchner Abkommens vom 30. September 1938 dem Großdeutschen Reich eingegliedert wurde.

Vermutlich hat er sich nach Frankreich abgesetzt. Hier waren Jüdinnen und Juden allerdings auch nicht sicher vor dem Nationalsozialismus, wurde doch Frankreich vom Großdeutschen Reich am 10. Mai 1940 im Zuge des Westfeldzugs überfallen und zum größten Teil von der deutschen Wehrmacht besetzt. So geriet auch Franz Peter Lampl, der wohl in der Zwischenzeit den Beruf eines Blechschmieds erlernt hatte und in der Ortschaft Marmande (Département Lot et Garonne) wohnhaft war, erneut in die Mühlen der nationalsozialistischen Verfolgung. Auf Veranlassung des Befehlshabers der Sicherheitspolizei in Paris, Helmut Knochen, wurde er verhaftet und zunächst ins Durchgangslager Royallieu bei Compiègne (Département Oise) verbracht. Von hier aus wurde Lampl am 27. Januar 1944 mit fast 1.600 anderen Männern ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Die Fahrt dauerte fast zwei Tage. Wie der französische Medizinstudent André Fournier, der auch zu diesem Transport gehörte, Jahrzehnte später berichtete, mussten die neu angekommenen Häftlinge die erste Nacht in Buchenwald mitten im Winter im Freien auf dem nackten Boden des Appellhofplatzes verbringen musste, ehe sie am nächsten Morgen registriert wurden.

Im KZ Buchenwald erhielt Franz Peter Lampl die Häftlingsnummer 44240, er wurde in Block 48 untergebracht. Bemerkenswerter Weise wurde Lampl von den Nationalsozialisten nicht wegen seiner jüdischen Herkunft interniert. Die Karteikarten der Lagerverwaltung führten ihn vielmehr als Katholiken und kategorisierten ihn im Hinblick auf seinen Geburtsort als „Politischen Tschechen“. Inwieweit er sich bis zu seiner Verhaftung am Widerstand gegen das NS-Regime beteiligt hatte, ist nicht bekannt. Obwohl Franz Peter der deutschen Sprache mächtig war, unterschrieb er auf einem (natürlich deutschsprachigen) KZ-Formular geradezu ostentativ mit der französierten Version seines Vornamens: François Pierre. Glaubt man den amtlichen Eintragungen in den Unterlagen der Lagerverwaltung, wurden die Kleidungsstücke, zu denen eine Krawatte gehörte, ebenso „durch Feindeinwirkung“ zerstört wie die Klarinette, die Lampl in einem Rucksack mitgebracht hatte. Wie aus Eintragungen in seine Krankenrevierskarte hervorgeht, war er mindestens bis Juli 1944 in Buchenwald eingesperrt. Wann er freikam, geht aus den überlieferten Unterlagen nicht hervor.

Nach der Befreiung hielt sich Franz Peter Lampl im April 1946 – aus Paris kommend – für eine Woche in Wien auf. In diesem Zeitraum ließ er sich von der 'Welthandel' eine Bescheinigung über die Erste Prüfung ausstellen, die er über acht Jahre vorher abgelegt hatte. Bis zum 30. April 1946 fand er in einer Herberge des Wiener Verkehrs-Vereins in der Kandlgasse 30 (7. Wiener Gemeindebezirk) eine Unterkunft.

Franz Peter Lampl unternahm eine Reise nach Kuba und in die USA, wählte aber schlussendlich Frankreich zum Lebensmittelpunkt. Hier schloss er ein Studium mit dem Titel eines „Licencié ès lettres“ ab. Zu Beginn der fünfziger Jahre nahm er die französische Staatsbürgerschaft an. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Reiseführer in Paris und Umgebung, aber auch in anderen Regionen von Frankreich sowie in Spanien. Dank seiner Vielsprachigkeit (Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch und Tschechisch) konnte er Touristen aus unterschiedlichen Ländern Führungen anbieten. Seinem Beruf kam auch sein breites Spektrum an Interessen und Hobbys entgegen (Geschichte, Kunst, Literatur, Philatelie). Lampl lebte in Vizelay (13 Rue Massenet), nicht einmal fünf Kilometer vom Schloss von Versailles entfernt, hielt sich aber zwischen Dezember und Februar regelmäßig in Deutschland und Österreich auf, um für das jeweilige Folgejahr Reisen vorzubereiten. Sein Sohn Thierry schildert ihn als einen Mann, der selten Ärger aufkommen ließ und Sarkasmus den Vorzug gab.

1954 heiratete Franz Peter Lampl Eliane Duquenne, die am 15. Juli 1927 in Armancourt (Département Oise) geboren worden war und am 17. Dezember 2012 in Chesnay-Rocquencourt (Département Yvelines) im Alter von 85 Jahren gestorben ist. Er selber war am 31. Januar 1997 im Alter von 81 Jahren gestorben.

Die Eltern von Franz Peter Lampl wurden Opfer der Shoah. Alice und Jakob wurden am 5. Dezember 1941 mit Transport K von Brünn/Brno (Protektorat Böhmen und Mähren) aus ins Ghetto Theresienstadt/Terezín (ebenfalls im Protektorat gelegen) deportiert. Von hier aus wurden sie am 15. Januar 1942 mit Transport P, der wie Transport K gut 1.000 jüdische Häftlinge umfasste, weiter nach Riga (Generalbezirk Lettland) verbracht. Die Fahrt dauerte quälende fünf Tage und fand unter unmenschlichen Bedingungen statt: Die Deportierten erhielten keine Frischluft und hatten so gut wie keine Nahrung, die hygienischen Verhältnisse waren brutal (vgl. Löw 2023). Ob Alice und Jakob unmittelbar nach der Ankunft des Zugs im Bahnhof Šķirotava erschossen wurden, ob sie ins Rigaer Ghetto getrieben oder in die Lager Jungfernhof/Jumpravmuiža oder Salaspils verbracht wurden, ob sie zu Zwangsarbeit eingeteilt wurden, ob sie – sofern sie zu diesem Zeitpunkt noch am Leben waren – ins 1943 errichtete Konzentrationslager Riga-Kaiserwald verlegt wurden und wann und unter welchen Umständen sie ermordet wurden, ist nicht bekannt. Möglicherweise gehörte Jakob Lampl zu den Personen, die 1943 von Riga ins Konzentrationslager Auschwitz verbracht wurden. Tatsache ist, dass die Eltern des ‚Welthandels‘-Studenten Franz Peter Lampl das Kriegsende nicht erlebt haben.

 

Autor: Johannes Koll
Unterstützung bei der Recherche: Harald Seewann

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Quellenhinweise

Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Karteikarte und Alte Prüfungsliste.
Wiener Akademisches Corps Marchia 1888–1988. Festschrift zur Feier des zweihundertsten Semesters, Wien 1988, Corpsliste, Nr. 167 (Franz Peter), 42 (Jakob) und 55 (Otto).
Doeberl, Michael/Otto Scheel/Wilhelm Schlink/Hans Sperl/Eduard Spranger/Hans Bitter/Paul Frank: Das akademische Deutschland, Bd. 2: Die deutschen Hochschulen und ihre akademischen Bürger, Berlin 1931.
GenTeam. Die genealogische Datenbank, http://www.genteam.at [31. Mai 2014].
Compass. Finanzielles Jahrbuch 1938. Personenverzeichnis, 71. Jg., Wien 1938, S. 704 f.
Meldeauskunft des Wiener Stadt- und Landesarchivs, GZ MA 8 – B-MEW – 669162/2013.
Fondation pour la mémoire de la déportation: Livre mémorial, http://www.bddm.org/liv/index_liv.php [4. August 2021].
Arolsen Archives, Sign. 01010503 oS, Franz Peter Lampl, https://collections.arolsen-archives.org/search/ [4. August 2021].
Andrea Löw: Die „Hölle“ bezeugen. Frühe Berichte überlebender deutscher Jüdinnen und Juden aus Riga, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 71 (2023), S. 155-207.
Yad Vashem: The Central Database of Shoah Victims' Names zu Alice Lamplova (ID 4864363) und Dr. Jakub Lampl (ID 4881996), https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de [30. Juli 2021].
Mitteilungen von Thierry Lampl (Sohn von Franz Peter Lampl) an PD Dr. Johannes Koll vom 30. Juli und 22. August 2021.

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