Johann (auch Hans, eigentlich János) Rosenberg

  • Geb. am 05.09.1912
  • Geburtsort: Budapest
  • Kategorie: Doktorratsstudiengang
  • Heimatberechtigung: Wikitsch (Bácsbokod), Ungarn
  • Staatsbürgerschaft: Ungarn

Johann (eigentlich János) war Sohn des Mathias bzw. Mátyás Rosenberg, der spätestens ab 1925 Direktor sowie zwischen 1931 und 1944 Prokurist der Bácsbokoder Walzmühle und Trockenanlagen-Aktiengesellschaft (Bacsbokodi hengermalom és száritótelepek részvénytársaság) mit Sitz in Budapest war. Darüber hinaus gehörte Mátyás in der Zwischenkriegszeit der Direktion der Central Hypotheken-Bank ungarischer Sparkassen an, die ebenfalls in Budapest angesiedelt war.

Zwischen 1922 und 1927 besuchte Johann das 1901 gegründete Szent-István-Realgymnasium, das im 7. Budapester Gemeindebezirk, der sogenannten Elisabethstadt, direkt am Stadtwäldchen gelegen war. Anschließend war er bis 1930 Schüler an dem nach dem ungarischen König Béla III. benannten Realgymnasium in Baja/Frankenstadt, dessen Gründung auf das Jahr 1757 zurückgeht und das seit 1879 vom Zisterzienserorden unterhalten wurde. Wohl unmittelbar im Anschluss an die Matura schrieb sich Johann Rosenberg an der Wiener Hochschule für Welthandel für den sechssemestrigen Diplomstudiengang ein, nach dem Erwerb des Titels „Diplomkaufmann“ wollte er hier auch den Titel eines "Doktors der Handelswissenschaften" erwerben. Tatsächlich war er an der ‚Welthandel‘ zwischen dem Wintersemester 1930/31 und dem Sommersemester 1936 acht Semester lang inskribiert. Die Diplomurkunde wurde am 3. Juni 1935 ausgefertigt. Zumindest im Sommer 1935 wohnte er in der Rathausstraße 15/14 (1. Wiener Gemeindebezirk), in einem repräsentativen Gebäude, das der berühmte jüdische Architekt Wilhelm Stiassny 1881/82 im Stil der Wiener Neorenaissance erbaut hatte.

Das anschließende Doktoratsstudium, in dessen Rahmen Johann Rosenberg eine von dem außerplanmäßigen Professor für Betriebswirtschaftslehre Karl Seidel und dem ordentlichen Professor für Betriebswirtschaftslehre Franz Dörfel begutachtete Dissertation über Das Kostenproblem im Zusammenhange mit Kapitalbedarf und Beschäftigungsgrad in der Mühlendindustrie vom Standpunkte der Gewinnerzielung verfasste, durfte er jedoch nicht abschließen: Im Zuge der rassistisch motivierten Verfolgung jüdischer Studierender wurde ihm nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs unter dem Datum des 15. Juni 1938 die Zulassung zu den beiden obligatorischen Rigorosen verweigert. So vermerkt seine Studierendenkarteikarte lapidar: „Da Jude [,] zu den Prüfungen nicht zugelassen.“ Bemerkenswert ist, dass Rosenbergs Dissertation trotzdem am 1. September 1938 in den Begutachtungsprozess ging. Dörfel forderte jedoch im November eine Überarbeitung, und Mitte Dezember 1938 teilte die Hochschule Rosenberg ultimativ mit, dass er aufgrund der Vorgaben der „vorgesetzten Dienstbehörde“ seine Abschlussprüfungen bis Jahresende abzulegen hätte – eine Forderung, die nicht zuletzt angesichts der Weihnachtspause praktisch in keiner Weise umzusetzen war. Damit war seine Wiener Promotion gescheitert, der Titel eines Doktors der Handelswissenschaften blieb Johann Rosenberg verwehrt. Ob er seinen Plan, sein Promotionsstudium an einer anderen Hochschule fortzusetzen und abzuschließen, umsetzen konnte, ist nicht bekannt. Eine solche Absicht wurde schon dadurch erschwert, dass die ‚Welthandel‘ offenkundig seiner wiederholt geäußerten Bitte nicht nachkam, ihm seine Unterlagen wie das Meldungsbuch, Referatsbestätigungen oder seine Dissertation zuzuschicken, die er für eine Immatrikulation benötigt hätte.

Das weitere Schicksal von Johann Rosenberg ist unbekannt. Leider lässt sich nicht zweifelsfrei klären, ob es sich bei jenem János Rosenberg um den früheren Studierenden der Hochschule für Welthandel handelt, dessen Name auf einer der Gedenktafeln an der früheren Synagoge von Baja, die dem Andenken der Opfer der Shoah gewidmet sind, vermerkt ist.

 

Autor: Johannes Koll
Unterstützung bei der Recherche: Katharina Graf

Quellenhinweise

Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Studierendenkarteikarte, Alte Prüfungsliste und Allgemeine Akten 1938.
Compass. Finanzielles Jahrbuch 1925, Bd. 3: Jugoslavien, Ungarn, Zagreb 1925, S. 1564.
Compass. Finanzielles Jahrbuch 1931: Ungarn – Pénzügyi évkönyv 1931: Magyaroszág, 64. Jg., Wien 1931, S. 891.
Compass. Finanzielles Jahrbuch 1944. Ungarn – Pénzügyi évkönyv 1931: Magyaroszág, 77. Jg., Wien 1934, S. 767.
Compass. Finanzielles Jahrbuch 1928. Personenverzeichnis, Wien 1928, S. 1371.
Meldeauskunft des Wiener Stadt- und Landesarchivs, GZ MA 8 – B-MER-513982-2018.
Johann Rosenberg: Das Kostenproblem im Zusammenhange mit Kapitalbedarf und Beschäftigungsgrad in der Mühlendindustrie vom Standpunkte der Gewinnerzielung, unveröffentlichte Dissertation, Hochschule für Welthandel: Wien 1938, Bibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien, Sign. 40454-C.
E-Mail von László Zalavári (Ady Endre Városi Könyvtár, Baja) an PD Dr. Johannes Koll (WU Wien) vom 30. November 2023.

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