Georg Heinz Schwitzer (später George Swinton)

  • Geb. am 17.04.1917
  • Geburtsort: Wien
  • Kategorie: Diplomstudiengang
  • Heimatberechtigung: Wien (Wien), Österreich
  • Staatsbürgerschaft: Österreich

Familie, Studium und der ‚Anschluss‘ Österreichs

Georg Heinz (auch Gyuri genannt) Schwitzer war ein Sohn des Fabrikanten Alfred Schwitzer (geb. 21. August 1884 in Wien, gest. 12. April 1937 in Wien) und dessen zweiter Ehefrau Elisabeth/Erzsébet (Mädchenname Hellsinger, geb. 5. April 1884 in Budapest, gest. 20. September 1970 in Vancouver, Kanada). In Hans Guido hatte er einen Bruder (geb. 24. November 1919 in Wien, gest. 24. Dezember 2007 in Vancouver) und in Kurt Rudolf (geb. 3. März 1915 in Wien, gest. 1987) einen Halbbruder aus der ersten Ehe, die sein Vater am 6. Januar 1914 in Wien mit Alice Platschek (genannt Ally, geb. 30. Januar 1894 in Prag als Tochter von Max und Wilhelmine Platschek, gest. 27. Mai 1915 in Wien) eingegangen war. Seine zweite Frau, die Mutter von Georg Heinz, hatte Ingenieur Alfred Schwitzer am 15. Juli 1916 im 5. Gemeindebezirk von Budapest geehelicht. Schließlich zählten zu Familie und Hausstand mit Marika (Maria Lujka) Hellsinger (geb. 20. April 1921 in Budapest, gest. 2000 in Salzburg) und Gida (Gedeon) Hellsinger (1926 bis 18. Oktober 1942 in Budapest) auch zwei Kinder von Elisabeths Bruder Pál (1882 bis 1929) und dessen Ehefrau Lujza Hellsinger (1894 bis 1931, Mädchenname Bernauer), über die Alfred und Elisabeth die Vormundschaft ausübten.

Georg Heinz᾽ Vater war Gesellschafter der Firma Gustav Ganz & Co. (10. Wiener Gemeindebezirk), die ab 1910 auf die „Erzeugung von Glühlampen und anderen einschlägigen Artikeln“ spezialisiert war. 1927 zählte die Fabrik etwa 450 Arbeiter. Zusammen mit Bernhard Erber, der im Sommer 1920 als Mitgesellschafter in das Unternehmen eintrat, hatte Alfred Schwitzer ab 1914 ein Patent auf eine elektrische Metallfadenglühlampe.

Georg Heinz besuchte das Realgymnasium im 18. Wiener Gemeindebezirk, ehe er sich für zwei Semester an der ganz in der Nähe der elterlichen Wohnung gelegenen Hochschule für Bodenkultur mit dem Studienschwerpunkt Landwirtschaft inskribierte (Wintersemester 1935/36 und Sommersemester 1936). Anschließend war er zwischen Wintersemester 1936/37 und Wintersemester 1937/38 an der Hochschule für Welthandel inskribiert. Mit der Vorgängerin dieser Hochschule, der k.k. Export-Akademie, hatte Vater Alfred insoweit eine Verbindung, als er ordentliches Mitglied in jenem Verein war, der sich ab 1915 um die Finanzierung eines Akademiegebäudes im Währinger Park bemühte.

Sein Studium an der ‚Welthandel‘ schloss Georg Heinz nicht ab, weil er nach dem 'Anschluss' Österreichs vom März 1938 als Sohn von Eltern, die nach den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 als „jüdisch“ galten, Opfer rassistisch motivierter Verfolgung durch das NS-Regime wurde. Für die fundamental rassistisch ausgerichtete Ideologie des Nationalsozialismus war denn auch irrelevant, dass die gesamte Familie Schwitzer am 29. Juli 1920 in der Pfarre Wien-Währing zum evangelischen Glauben konvertiert war, und zwar nach dem Augsburger Bekenntnis. Am Tag zuvor war man aus der Israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten.

Zur Verfolgung der Familie Schwitzer gehörte auch, dass das väterliche Unternehmen nach dem 'Anschluss' aufgelöst und von dem Berliner „Devisenberater“ Dr. Hans Schöne und dem Wiener Rechtsanwalt Dr. Ernst Hoffmann liquidiert wurde. Diese beiden Personen scheinen ab 1938 – gelegentlich gemeinsam – als Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats von Unternehmen auf, die nach dem 'Anschluss' nazifiziert und 'arisiert' worden waren (Montan-Union AG, Mühldorfer Grafit-Bergbau AG, Aktiengesellschaft der österreichischen Fezfabriken). Die Zugehörigkeit von Ernst Hoffmann zum NS-Regime lässt sich überdies daran ablesen, dass dieser Jurist die gutgehende Rechtsanwaltskanzlei Am Hof 5 (1. Wiener Gemeindebezirk) von Dr. Arthur Seyß-Inquart übernahm, nachdem dieser nationalsozialistische Politiker im Kontext der Vorbereitung des 'Anschlusses' von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg unter dem Druck von Adolf Hitler im Februar 1938 zum österreichischen Innenminister ernannt worden war (Wiener Stadt- und Landesarchiv [WStLA], A1, Vg Vr-Strafsachen, Vg 8 f Vr 6095/48). Hoffmann war überdies in der Zeit, in der die NSDAP einem Betätigungsverbot unterlag (Juni 1933 bis März 1938), dieser Partei als Mitglied und als Funktionär beigetreten, war also einer der besonders motivierten 'illegalen' Nationalsozialisten, und brachte es in der SS bis zum Offiziersrang eines Obersturmführers (WStLA, Personalakten des Gaues Wien, A1: Dr. Ernst Hoffmann).

Zum erwzungenen Abbruch des Studiums von Georg Heinz an der Hochschule für Welthandel und zu der 'Arisierung' der Firma Gustav Ganz & Co. kamen bei Familie Schwitzer die üblichen Methoden von Schikanierung und Beraubung derjenigen zum Tragen, die das NS-Regime als „jüdisch“ betrachtete. So verlor Mutter Elisabeth fast ihr gesamtes Vermögen und sah sich gezwungen, „freiwillig“ (wie ein 'Ariseur' zynischerweise glaubte festhalten zu dürfen) auf Kapitaleinlagen und Forderungen zu verzichten (Österreichisches Staatsarchiv, Vermögensanmeldung Elisabeth Schwitzer). Angesichts eines Gesamtvermögens von über 680.000 Reichsmark vernachlässigenswert, aber sehr bezeichnend für die Systematik des staatlich organisierten Raubes war auch, dass ihr Automobil, ein Fiat 521 im Wert von 650 RM, der 'Arisierung' verfiel (Technisches Museum Wien, KFZ-Datenbank). Schließlich musste Elisabeth Schwitzer den Betrag von über 170.000 RM, also die üblichen 25 Prozent des Gesamtvermögens, als 'Reichsfluchtsteuer' entrichten, die der nationalsozialistische Raubstaat insbesondere Jüdinnen und Juden auferlegte, die aus dem ‚Großdeutschen Reich‘ flüchteten. Nachdem die Familie ihre Heimat verlassen hatte, wurde ihr entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, die sich dieses Reich bald nach der nationalsozialistischen ‚Machtergreifung‘ im Sommer 1933 gegeben hatte, am 20. November 1940 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Hierauf aufbauend eignete sich das Deutsche Reich im September 1941 das Vermögen von Elisabeth, Kurt, Georg Heinz und Hans Guido ein.

 

Über Großbritannien nach Nordamerika. Leben und Karriere in Kanada

Zu diesem Zeitpunkt war Familie Schwitzer, die bis dahin in der Blaasstraße 13 (19. Wiener Gemeindebezirk) gelebt hatte, schon längst nach Großbritannien exiliert (WStLA, Meldeauskunft Georg Heinz Schwitzer). Wie aus der London Gazette vom Juni 1939 hervorgeht, nahm die Familie im Exil den Nachnamen Swinton an. Ergänzend geht aus anderen Quellen hervor, dass Kurt seinen alten Vornamen behielt, während Georg Heinz seinen Namen in George amerikanisierte und Hans Guido sich Anthony Hans bzw. Hans nannte. Im britischen Exil fand die Familie in De Vere Gardens, unweit von Kensington Gardens und Hyde Park, Unterkunft.

1939 gelangte Georg Heinz Schwitzer alias George Swinton nach Kanada, nachdem der kanadische Kronrat ihm und seinen Brüdern die Einwanderung bewilligt hatte (Ancestry.com: Canada, Immigrants Approved in Orders in Council. Zum Folgenden siehe insbesondere University of Manitoba Archives & Special Collections; White; University of Manitoba: Honorary Degree recipients, Eintrag zu George Swinton). Dieser Teil des britischen Commonwealth stellte fortan Georges Lebensmittelpunkt dar, hier und zeitweilig in den Vereinigten Staaten von Amerika sollte er sich privat und beruflich erfolgreich etablieren. Er wurde bekannt als Kunsthistoriker, Kunstkritiker, vielseitig begabter Künstler und als Autor, der sich nicht zuletzt intensiv mit der Kunst der Inuit auseinandergesetzt hat. Wohl nicht zu Unrecht hieß es 1987 über George Swinton: „He is recognized internationally as the first authority on Inuit Art.“ (University of Manitoba: Honorary Degree recipients, Eintrag zu George Swinton). Seine Kompetenz auf diesem Gebiet fand auch darin Ausdruck, dass er seit 1950 eine Sammlung von Artefakten der Inuitkultur anlegte, die später der Winnipeg Art Gallery und der Art Gallery of Ontario übergeben wurden.

Zunächst jedoch stellte sich George Swinton fünf Jahre lang in den Dienst der kanadischen Armee. Im Canadian Intelligence Corps brachte er es bis zum Rang eines Hauptmanns. Noch während des Militärdienstes, den er in Kanada sowie im Fernen Osten leistete, befasste er sich mit Öl- und Aquarellmalerei (CBC Times 1961). 1944 erhielt er die kanadische Staatsbürgerschaft. Am 26. August 1943 heiratete George in Saskatoon, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Saskatchewan, die etwa ein Jahr jüngere Alice Mantyka, von der er sich 1970 scheiden ließ. Aus der Ehe sind 1953 die Zwillingsschwestern Moira Beth und Nelda Jill hervorgegangen.

1946 erwarb George Swinton an der McGill University den Titel eines Bachelor of Arts, anschließend belegte er Kurse an der Montreal School of Art and Design (1946–1947) und an der Art Students᾽ League of New York (1949–1950). Zu diesem Zeitpunkt waren George und Alice Swinton in New York ansässig, und zwar in der 75. Straße in Manhattan (MyHeritage.at: Volkszählung der Vereinigten Staaten 1950).

Schon während seiner Ausbildung arbeitete George als Kurator am Saskatoon Art Centre (1947–1949). Zwischen 1950 und 1953 unterrichtete er am Smith College (Northampton, USA), das auch über ein Kunstmuseum verfügte; anschließend war er an der Queen’s University (Kingston, Kanada) für einige Monate Artist-in-Residence. Seine Arbeit und Weiterbildung wurde – wohl in den 1950er Jahren – gefördert durch ein Stipendium des Canada Council for the Arts. 1954 war Swinton Assistant Chief of Industrial Design an der National Gallery of Canada in Ottawa. Ab Herbst desselben Jahres lehrte er zwanzig Jahre lang an der School of Art der University of Manitoba (Winnipeg, Kanada), die heute seinen Nachlass verwaltet. An derselben Universität fungierte er überdies als Leiter der Kunstkollektion der Gallery One One One (heute: School of Art Gallery) seit deren Gründung im Jahr 1965. In dieser Funktion, die er bis 1971 ausübte, verantwortete er nicht zuletzt die erste Kunstausstellung, die einem Künstler der Inuit gewidmet war, konkret im März 1970 dem Bildhauer John Tiktak (1916–1981). Von 1974 bis 1981 war George Swinton Professor für kanadische Studien an der Carleton University (Ottawa, Kanada). An derselben Universität war er anschließend als außerordentlicher Professor am Department für Kunstgeschichte tätig. Mit dem Eintritt in den Ruhestand 1986 erhielt er von ihr den Titel eines "Professor Emeritus" verliehen. 1981 nahm Swinton an der Leningrader Universität eine Gastprofessur wahr.

Als Autor ist George Swinton vor allem durch die Bücher Eskimo Sculpture (1965), das einige Wochen lang auf der kanadischen Bestseller-Liste geführt wurde, und Sculpture of the Eskimo (1972) hervorgetreten, zu dessen Taschenbuchausgabe eine Rezensentin Swintons „knowledgeable and sensitive comparison of Eskimo and Western concepts of art“ hervorhob und betonte, dass Swinton ein kritisches Bewusstsein von den Einflüssen hatte, die die französische sowie die englische Kultur Kanadas auf die Kunst der Inuit ausübten (Andrews 1987, S. 229). 1992 wurde das Buch in überarbeiteter Form unter dem Titel Sculpture of the Inuit herausgegeben. Zu diesen und anderen Büchern kommen zahlreiche Aufsätze und Artikel, die Swinton in wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Periodika publiziert hat.

Neben seiner Lehrtätigkeit, wissenschaftlichen Publikationstätigkeit und zahlreichen Vortragsreisen innerhalb und außerhalb von Kanada schrieb Swinton als Kunstkritiker für die Winnipeg Tribune (1954–1958) und verantwortete die Fernsehserie Art in Action der Canadian Broadcasting Corporation (1959–1961). Überdies vertrat er wiederholt die kanadischen Universitäten auf Konferenzen der UNESCO oder der Canadian Centennial Commission (1966/67), war Vorsitzender der Canadian Society for Education through Art (1956–1958) sowie Mitglied im National Capital Commission’s Advisory Committee on the Visual Arts. Er gehörte dem Board of Governors der Winnipeg Art Gallery und dem Vorstand der Ottawa School of Art an und beriet nicht zuletzt als Mitglied des Canadian Eskimo Arts Council die kanadische Regierung zu Fragen von Kunst und Handwerk der Inuit (1967–1973). Auch das Inuit Cultural Institute zählte zu den Institutionen, die Swinton beriet (1974–1978).

Internationale Reputation erwarb sich George Swinton auch als Künstler. Seine eigenen Kunstwerke wurden bzw. werden in zahlreichen kanadischen und US-amerikanischen Museen wie der National Gallery of Canada, der Vancouver Art Gallery, der Winnipeg Art Gallery, der Beaverbrook Gallery, dem Confederation Arts Centre, dem Etherington Art Centre oder der Glenbow Foundation ausgestellt. Allein bis 1987 waren seinem künstlerischen Werk über 30 Ausstellungen gewidmet. Größere Ausstellungen, die ausschließlich seinen Werken gewidmet waren, fanden 1994 und 1997 statt. Als Illustrator betätigte sich Swinton für den Gedichtband Red River of the North & Other Poems of Manitoba von Thomas Saunders (1969). Erzeugnisse literarischer Tätigkeit veröffentlichte er im Jahr 2000 unter dem Titel Almost Poems.

Zu den Ehrungen, die er für seine Verdienste um das kulturelle Leben und Erbe des Exillandes, das zu seiner Wahlheimat wurde, erhielt, gehört die Centennial Medal, die 1967 zum 100-jährigen Jubiläum der Bildung der Confederation of Canada ausgegeben und rund 30.000 Mal an verdiente Persönlichkeiten des Landes verliehen wurde. Am 17. Dezember 1979 wurde er in die Klasse der Members des Order of Canada aufgenommen, nach dem Order of Merit die zweithöchste nichtmilitärische Auszeichnung des kanadischen Staates; die Verleihung fand am 16. April des Folgejahres statt. 1987 verlieh ihm die University of Manitoba ein Ehrendoktorat in Rechtswissenschaften, und 1992 erhielt er die 125th Anniversary of Canadian Confederation Medal. Kurz vor seinem Tod wurde ihm die Queen Elizabeth II Golden Jubilee Medal zugesprochen, die in Kanada 2002 anlässlich des fünfzigjährigen Thronjubiläums der britischen Monarchin herausgebracht wurde (Goldsborough 2023).

Das letzte halbe Jahr seines Lebens verbrachte Georg Heinz Schwitzer respektive George Swinton im Bethenia Personal Care Home in Winnipeg. In derselben Stadt verstarb er am 21. April 2002. Anstelle einer Begräbnisfeier hatte sich der mehrfache Großvater „a celebration of life“ in The Art Collector‘s Club von Winnipeg gewünscht (The Globe and Mail vom 27. April 2002).

 

Familienangehörige

Sein Halbbruder Kurt hatte kurz vor dem ‚Anschluss‘ begonnen, sich in der Radiowelt einen Namen zu machen. So schrieb er in der einschlägigen Fachzeitschrift Radio-Amateur über Grundlagen der Elektronenoptik, Fernsehempfänger, die britische Rundfunkausstellung in London vom August 1937 und das Fernsehwesen in Großbritannien. Kurt Schwitzer war somit schon mit Großbritannien vertraut, als er hier nach dem ‚Anschluss‘ Schutz vor der nationalsozialistischen Verfolgung suchte. Er fand denn auch eine Anstellung als Ingenieur bei der Firma Langano Weston Works (Great Cambridge Road, Enfield). Obwohl auch ihm vom kanadischen Kronrat die Einwanderung erlaubt worden war, wurde Kurt am 21. Juni 1940 interniert (Ancestry.com: Großbritannien, ausländische Internierte im 2. Weltkrieg, Kurt Swinton) und zeitweilig in Camp A (später Camp 40) bei Farnham (Provinz Québec) festgehalten; hierbei handelte es sich um ein Internierungslager für deutsche Kriegsgefangene und Zivilinternierte, die von Großbrigannien nach Kanada gekommen waren. Nachdem er 1941 freigelassen worden war (Vancouver Holocaust Education Center 2012, S. 22), schloss auch er sich der kanadischen Armee an. Beim Royal Canadian Signal Corps brachte er es bis zum Rang eines Oberstleutnants (Kaufman 2005, S. 46; zum Folgenden siehe The Globe and Mail vom 4./5. Mai 2012). Belegt ist, dass sich Kurt Swinton in seiner Eigenschaft als Armeeoffizier zeitweilig in Großbritannien aufhielt und am 12. Oktober 1942 auf der Jamaica Producer im Auftrag des kanadischen Rüstungsministeriums von Avonmouth aus nach St. John (Provinz New Brunswick) übersetzte (Ancestry.com: UK and Ireland, Outward Passenger Lists). Im Rahmen des Militärdienstes lernte Kurt 1943 in Ottawa Eileen Doris (geborene Hancock, geb. 9. Oktober 1917 in Winnipeg, gest. 1. Mai 2012 in Toronto) kennen, die dort zu diesem Zeitpunkt für die kanadische Marine stationiert war. Am 4. März 1944 heirateten die beiden (The Gazette vom 28. Februar 1944), aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen (Kathryn, Terence und Patricia). Nach Kriegsende ließen sie sich in Toronto nieder, beide arbeiteten für das Canadian Institute for International Affairs. Zu Beginn der 1960er Jahre übersiedelte die Familie nach London, wo Kurt als Präsident der Encyclopedia Britannica International arbeitete. Gegen Ende der 1960er Jahre wurde New York der Lebensmittelpunkt, ehe die Familie nach Toronto zurückkehrte. Neben seiner Tätigkeit für die Encyclopedia Britannica übte Kurt das Amt des Vorsitzenden der Canadian Conference on Education aus.

Der jüngste Bruder, Hans, erinnerte sich, wie es in seinem Nachruf hieß, zeit seines Lebens gerne an seine frühen Jahre in Österreich und verlor nie die Liebe zu seinem Geburtsort Wien (Vancouver Sun and The Province vom 29./30. Dezember 2007). Desungeachtet wurde auch für ihn Kanada nach der Immigration die neue Heimat. Hans Schwitzer studierte an der University of British Columbia, wo er sich neben dem Studium in den Football- und Golfmannschaften dieser 1908 gegründeten Universität engagierte. 1948 schloss er sein Jusstudium ab und eröffnete im gleichen Jahr eine Anwaltskanzlei, die sich auf die Rechtsberatung und -vertretung kleinerer Unternehmen spezialisierte. Vor dem ‚Anschluss‘ hatte ihn seine Begeisterung für Sport übrigens zu einer großen Nachwuchshoffnung des österreichischen Golfsports werden lassen. So nahm Hans schon als 16-Jähriger an internationalen Wettbewerben teil, und 1937 gewann er bei den Herren die Klubmeisterschaft seines Vereins, des Wiener Golfklubs, sowie den Mitteleuropäischen Interklub-Wanderpreis. Zu demselben Jahr ist belegt, dass Hans bei der Meisterschaft der österreichischen Alpenländer in Anwesenheit des spanischen Königs, des Herzogs von Alba und der Herzogin von San Tantonio in der Klasse der Amateure den ersten Preis gewann (Sport-Tagblatt vom 9. September 1937). Seine Fähigkeiten und seine Leidenschaft für den Golfsport nahm er nach Kanada mit. Die British Columbia Golf Association ernannte ihn auf Lebenszeit zu ihrem Direktor; auch war er Mitglied in mehreren kanadischen Golfclubs.Über den Marine Drive Golf Club in Vancouver lernte er Marcia Winona Dorman kennen (geb. 27. Oktober 1926 in Victoria, gest. 27. April 2023 in Vancouver). Mit ihr trat Hans im Frühjahr 1951 in den Stand der Ehe (The Victoria Daily Times vom 7. Mai 1951 und Vancouver Sun and The Province vom 6. Mai 2023). Das Paar sollte mit drei Kindern gesegnet sein (Paul, Peter und Mark). Hans Swinton starb am frühen Morgen des 24. Dezember 2007 im Marion Hospice (Vancouver).

Aus der weiteren Verwandtschaft von Georg Heinz und seinen Brüdern sind mehrere Personen Opfer der Shoah. Dazu gehören mindestens die folgenden Familienangehörigen (zum Folgenden siehe unter anderem Gaugusch, Bd. 3, 2023, S. 3555 ff.).

  • Georg Heinz᾽ Großtante Sidonie Schwitzer (geb. 12. März 1965 in Pest, Ungarn, Mädchenname Spitzer), die am 22. April 1888 in Wien Sigmund Schwitzer (geb. 10 September 1862 in Lundenburg/Břeclav, gest. 18 Juni 1916 in Franzensbad/Františkovy Lázně), Gesellschafter der Firmen H. Schwitzer & Söhne, Wellesz & Schwitzer und Brüder Schwitzer & Co., geheiratet hatte, wurde am 10. Juli 1942 aus der Wohnung Köllnerhofgasse 6/7 (1. Wiener Gemeindebezirk) ins Konzentrationslager Theresienstadt/Terezín deportiert; hier kam sie am 29. September 1942 ums Leben.
  • Ebenfalls am 10. Juli 1942 wurde eine weitere Großtante von Georg Heinz nach Theresienstadt deportiert: Hedwig Schwitzer (Mädchenname Nossal, geb. 11. März 1873 in Prag), die am 27. Mai 1894 in der Wiener Synagoge Hugo Schwitzer (geb. 19. Juni 1865 in Lundenburg, gest. 21. April 1924 in Wien), Gesellschafter der Firmen Brüder Schwitzer & Co., H. Schwitzer & Söhne, Wellesz & Schwitzer und Wellesz, Schwitzer & Co., geheiratet hatte. Sie wurde von der Wohnung Nickelgasse 3/7 (2. Wiener Gemeindebezirk) in das genannte Konzentrationslager verbracht. Von dort wurde sie am 15. Mai 1944 nach Auschwitz-Birkenau weiterdeportiert, wo sie zu einem unbekannten Zeitpunkt umgebracht wurde. Hedwig wurde übrigens zusammen mit ihrer 88-jährigen Mutter Mathilde Nossal (geb. 1. April 1853 bei Prag), die mit ihr zusammen mi der Nickelgasse gewohnt hatte, nach Theresienstadt deportiert; die betagte Frau wurde hier am 28. August 1942 Opfer des NS-Regimes.
  • Auch der Handelsangestellte David Schneider (geb. 13. Dezember 1872 in der Gemeinde Lincs bei Tyrnau), der am 23. August 1903 in der Wiener Synagoge Emma Schwitzer (geb. 23. März 1868 in Lundenburg, gest. 25. September 1927 im Wiener Spital der Israelitischen Kultusgemeinde) geheiratet hatte, wurde am 10. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, und zwar von der Springergasse 24/5 (2. Wiener Gemeindebezirk) aus. Von Theresienstadt wurde er am 21. September 1942 weiter ins Vernichtungslager Treblinka verbracht, wo er zu einem unbekannten Zeitpunkt umgebracht wurde.
  • Schließlich wurde am 14. Juli 1942 Johann (Hans) Alexander Schwitzer (geb. 24. Juni 1875 in Wien), der als Eisenbahnoberinspektor in Weidling bei Klosterneuburg gelebt hatte, ebenfalls von der Springergasse 24 im 2. Wiener Gemeindebezirk aus nach Theresienstadt deportiert. Er wurde am 23. Februar 1943 um sein Leben gebracht.

 

Autor: Johannes Koll
Unterstützung bei der Recherche: Katharina Graf und Stefanie Lucas

Bilder

  • Mahnmal der WU Wien: Georg Schwitzer. Copyright: Johannes Koll (2024)

Quellenhinweise

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Georg Gaugusch: Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938, Bd. 3 (= Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft „Adler“ – Wien, 3. Folge, Bd. 18), Wien 2023, S. 3554-3561.
Geni.com und MyHeritage.com zu Marika und Gida Hellsinger, http://www.geni.com und http://www.myheritage.com [Zugriffe: 19. März 2024].
E-Mail von Tarik Gafaar, Msc. Mag. (Universitätsarchiv der Universität für Bodenkultur, Wien) vom 9. Februar 2024 an PD Dr. Johannes Koll (Wirtschaftsuniversität Wien).
Die k.k. Exportakademie in Wien. Zur Erinnerung an die Eröffnung des neuen Akademiegebäudes im Herbst 1916, Wien 1916, S. 161.
GenTeam. Die genealogische Datenbank, https://genteam.at [22. März 2023], Austritte in Wien aus der IKG 1915-1945: Alfred und Elisabeth Schwitzer, Nr. 22098 und 22099.
Wiener Stadt- und Landesarchiv, A1, Vg Vr-Strafsachen, Vg 8 f Vr 6095/48: Gertrude Seyß-Inquart, Erklärung von Dr. Ernst Hoffmann und Dr. Walther Richter.
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Personalakten des Gaues Wien, A1: Dr. Ernst Hoffmann.
Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 276 vom 23. November 1940, Abendausgabe, S. 2, Nr. 162-165.
Meldeauskunft des Wiener Stadt- und Landesarchivs, GZ MA8 – B-MEW-819148/2013.
Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Entschädigungs- und Restitutionsangelegenheiten, Vermögensverkehrsstelle, Vermögensanmeldungen Nr. 7225 (Elisabeth Schwitzer), 7223 (Georg Schwitzer), 7224 (Kurt Schwitzer) und 7222 (Hans Schwitzer).
Technisches Museum Wien: KFZ-Datenbank, Eintrag zu Elisabeth Schwitzer, http://www.technischesmuseum.at/kfz-datenbanken [27. Februar 2024].
Meldeauskunft des Wiener Stadt- und Landesarchivs, GZ MA8 – B-MEW-819148/2013 zu Georg Schwitzer.
The London Gazette vom 9. Juni 1939, S. 3883.
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Kurt Schwitzer: Fernsehen in England, in: Radio-Amateur. Radio – Tonfilm – Fernsehen, 14 (1937), Folge 12, S. 700-703.
Kurt Schwitzer: Der Fernsehempfänger, in: Radio-Amateur. Radio – Tonfilm – Fernsehen, 14 (1937), Folge 12, S. 704-708.
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Yad Vashem: Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer, Eintrag zu Hedwig Schwitzer, ID 4799941, https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de [23. Februar 2024].
Yad Vashem: Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer, Einträge zu David Schneider, ID 1098457 und ID 4801206, https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de [23. Februar 2024].
Opferdatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (http://www.doew.at ), Eintrag zu Johann Schwitzer [23. Februar 2024].
Yad Vashem: Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer, Einträge zu Johann Schwitzer, ID 4946578 und 4800093, https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de [23. Februar 2024].

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